Projekt "Tschuri"
32" 1:4,5 Dobson

Unserer Sternwarte fehlte es sicher nie an Beobachtungsinstrumenten. Ein Photonewton und zwei Dobsons mit 14“ und 16“ sowie allerlei Feldstecher sind für zwei Beobachter sicher ausreichend. Doch auf den zahlreichen Teleskoptreffen findet man immer wieder Gelegenheit, auch durch größere Geräte zu schauen. Dort wird man dann ganz leicht vom Öffnungsfieber infiziert. Irgendein Spiegel größer 24“ war daher schon lange ein Wunsch, aber ein teurer.

Eines war uns beiden klar - 24“ würden finanziell für jeden von uns die absolute Obergrenze darstellen. Doch warum getrennt kaufen, wenn wir doch sowieso immer gemeinsam beobachten. Etwa um 2007 reifte deshalb erstmals der Entschluss, unsere Finanzen zu vereinen und zu versuchen, einen noch größeren Dobson zu realisieren. Wir dachten zuerst über einen Selbstschliff nach. Zwei 10“ Rohlinge wurden gekauft und jeder von uns begann damit, sein Erstlingswerk zu schleifen. Zwei lange Jahre vergingen, bis wir erkannten, dass dies einfach nicht unser Ding ist. Damit war das Projekt „Riesendobson“ erst einmal wieder auf Eis gelegt.

Auf dem Almberg-Treffen 2011 lernten wir Kai Kretzschmar und seinen gerade fertiggestellten 27“ Selbstschliff kennen. Wir unterhielten uns ausgiebig mit ihm über sein Teleskop, seine Erfahrungen mit großen Spiegeln und die Herausforderungen, die solch eine Optik mit sich bringt.

Nach dem Treffen reifte aufs Neue der Wunsch nach so einem Spiegel und so fingen wir an, durchzurechnen, welche Kosten bei einem Spiegelkauf auf uns zukommen würden. Für uns war klar -  der Spiegel sollte mindestens 75 cm Öffnung haben. Alles in allem kam dann eine Summe zustande, mit der wir nicht gerechnet hatten. Das sprengte unser Budget bei weitem. Unser Projekt stand ein zweites Mal vor dem Aus.
Im September 2014 trafen wir Stathis Kafalis auf dem Almberg. Wir unterhielten uns über seine künftigen Selbstbauprojekte. Auch er hatte seit 2001 ein großes Projekt auf seiner Website - einen 32“. Doch auch hier las man schon lange nichts mehr darüber. Im Gespräch stellte sich heraus, das dieses Projekt inzwischen eingestellt wurde. Die Besitzer des Spiegels (Ralph Muth und Frank Richardsen) verfolgten inzwischen andere Projekte und auch Stathis hatte immer weniger Zeit dafür. Auch seinen 24“ Kyklopas hatte er inzwischen verkauft. Einige Wochen später kontaktiere ich Stathis erneut. Mich interessierte einfach, ob der 32“ evtl zum Verkauf stehen würde. Hoffnungen machte ich mir allerdings keine. Stathis stellte freundlicherweise den Kontakt zu Frank Richardsen her. Wir mailten einige Tage später und ich erhielt prompt eine positive Antwort. Der Spiegel ist noch zu haben. Der Preis überraschte mich fast noch mehr. Zum aktuellen Marktpreis eines Rohlings war der Spiegel zu haben. Dabei ist der Spiegel nicht nur geschliffen sondern auch fertig auspoliert. Jedoch musste er noch parabolisiert werden.

Ich kontaktierte Winni und berichtete ihm von den Neuigkeiten und wir begannen erneut, die Kosten für die Fertigstellung des Spiegels zu kalkulieren. Ausserdem stand für uns fest, das wir zuerst jemanden finden müssten, der uns den Spiegel parabolisiert. Kein ganz leichtes Unterfangen...




Wir schreiben den 12. November 2014, den Tag der Landung von Philae auf dem Kometen Tschurjumow-Gerassimenko. Winni und ich hatten uns abends verabredet, um uns gemeinsam die Live-Übertragung anzusehen. Auch über den Spiegel diskutierten wir ausgiebig. Uns ist zu diesem Zeitpunkt bereits klar, dass auch dieses Projekt nicht billig werden wird.
Aber uns ist auch bewusst - wenn nicht jetzt, dann Nie! Nach kurzem Für und Wider entschieden wir uns für den Kauf. Damit fällt, 8 Jahre nachdem wir uns erstmals ernsthaft mit dem Projekt „Riesendobson“ befasst haben, der offizielle Startschuss.

32“ f 4,5

Wir beginnen noch im November mit der Planung. Wir kennen Wolf Hartmanns 32“  f 5 nur zu gut. Somit ist uns klar, dass dieses Gerät Probleme schaffen wird. Die bestehende Sternwarte ist zu klein, der Spiegel mit 59 kg zu schwer, um ihn noch alleine ins Auto zu heben, von der gesamten Spiegelbox ganz zu schweigen. Ich mache mich an die Konstruktionseichnungen, Winni bastelt einen Spiegeldummy und beginnt mit der Fertigung der 27 Punkt Spiegelzelle.



Durch Zufall entdecken wir im Internet einen Bericht über den Technologiecampus Teisnach, einem Teil der TH Deggendorf. Hier wurde in den letzten Jahren damit begonnen, eine Spiegelfertigung in professionellem Maßstab einzurichten. Spiegel bis 2 Meter Durchmesser sind hier realisierbar. Die Schleifmaschine „UPG 2000“ ist 85 Tonnen schwer und mit Messturm 7 Meter hoch. Die Optikmaschine ist in den letzten drei Jahren im Rahmen des Projekts IFasO (Integrierte Fertigung asphärischer Optik) der Hochschule Deggendorf realisiert worden. Spiegel bis 1,3 Meter Durchmesser wurden bereits gefertigt. An einem Auftrag zur Erstellung von Spiegelsegmenten für das 40 Meter Projekt der ESO in den chilenischen Anden ist man interessiert. Schon lustig, was vor der eigenen Haustüre alles passiert, ohne das man davon Notiz nimmt. Wir vereinbaren einen Termin, um uns die Anlage einmal genauer anzuschauen. Der Besuch ist allerdings ernüchternd. Das Wissen der dortigen Werkstattleitung wirkt sehr theoretisch. Wir verlassen die Anlage mit dem Gefühl, als Versuchskaninchen zu dienen.

Am 29.11.2014 ist der große Tag gekommen. Wir holen den Spiegel bei Frank Richardsen in Starnberg ab.

Im Dezember sind die Planungen der Spiegelbox abgeschlossen. Winni beginnt mit dem Bau des Tailgates.

16.01.2015 - Wir haben nun jemanden gefunden, der uns den Spiegel fertigstellen kann. Winni und ich machen uns auf den Weg, um den Spiegel zum parabolisieren zu bringen.




01.02.2015 - Nachdem ich Winni die bestellten 21mm Birkensperrholzplatten und die 50mm Alurohre für das Truss vorbeigebracht habe, konnte er nicht mehr widerstehen. Winni hat die Hutringe ausgesägt - was für Wagenräder :-)

…und nein - Winni hat sich nicht verzählt. Unser 32er bekommt zur leichteren Montage einen Hilfsring verpasst.





09.02.2015 Die Spiegelbox ist fertig verleimt. Es wird Zeit, sich über die Farbgebung Gedanken zu machen. Wir wollten keinen Einheitsbrei, das stand von Anfang an fest. Er sollte sich auf den Teleskoptreffen von der Masse abheben.
Eine Fahrt in den Baumarkt brachte dann nach längerem hin und her am Lackregal die Lösung: er wird schwarz / orange




Tja, wo gehobelt wird, da fallen Späne :-)
18.02.2015 - Die OAZ Befestigung und die Fangspiegelspinne nehmen Form an...
Der große kreisrunde Ausschnitt auf der Rückseite des Auszugsbretts ist für das Filterrad.




25.02.2015 - Hut und Spiegelbox sind so gut wie fertig. Nun geht´s an die Lackiervorbereitung. Schleifen, schleifen, schleifen...










20.03.2015 - In dieser Woche sind die Frästeile für das Truss gekommen. Nun konnten wir den Tubus zum ersten Mal zusammensetzen. Ein impossanter Anblick.





19.04.2015 - Mit lebensgefährlichen, vorsintflutlichen Geräten in dunklen Kellern von indischen Kleinkindern zusammengebruzzelt... ähm, sorry falscher Text.
Das ist natürlich Winni´s Garage und seine Vorliebe für antiquiertes Werkzeug aller Art ;-)





Wir wechseln also von der Schreinerei wieder in die Schlosserei. Nachdem wir endlich den Schwerpunkt ermitteln konnten, habe ich damit begonnen, den Rocker zu konstruieren. Vergangene Woche haben Winni und ich Stahlrohre besorgt und Winni hat sich sofort an die Arbeit gemacht, meine Zeichnungen in die Tat umzusetzen.




Das Lagerkreuz - oder besser Ypsilon - haben wir aus 100x40x3mm Stahlrohr konstruiert. Der darauf liegende Rocker liegt auf 3 Lagerpaketen mit je 5 Nadellagern auf.





Der Rocker besteht ebenfalls aus einem 100x40x3mm Stahlrohrrahmen. Dieser ist zusätzlich diagonal versteift. Ein im Stahlrohr versenktes Flanschlager bildet den Drehpunkt.




Die Lauffläche für die Nadellager bildet ein Stahlring, welcher mit dem Rocker verschweißt ist.




Frontseitig sind 4 Stehlager auf den Rocker aufgeschraubt. Die Höhenräder liegen später auf den beiden 25mm Vollwellen auf.





08.05.2015 - Heute konnte ich die Holzfrästeile für die Höhenräder abholen. Am Nachmittag gings damit gleich mal zu Winni. Wir konnten es uns natürlich nicht verkneifen, die Dinger gleich mal provisorisch an die Spiegelbox zu klemmen.
Die Höhenräder bestehen aus jeweils zwei Lagen 24mm Multiplex. Insgesamt 46mm Materialstärke geben uns ein gutes Gefühl bzgl. Steifigkeit. Um das Gewicht etwas zu minimieren (und natürlich auch für die Optik) sind die einzelnen Lagen jeweils 16mm tief ausgefräst.





15.05.2015 - Die Höhenräder sind verleimt und angeschraubt. Einem ersten Test mit Hauptspiegel- und Fangspiegeldummy steht somit nichts mehr im Wege. Die Laufflächen der Höhenräder werden noch mit dünnem Blech belegt, um das Holz zu schonen. Die Sichelspitzen sind über ein 50mm Aluminiumrohr miteinander verbunden und bekommen wohl noch Querverstrebungen zur Spiegelbox. Aber eigentlich sind die Höhenräder auch jetzt schon extrem verwindungssteif.







Ein kurzes Video zeigt den Dobson auch schon in Bewegung...

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